8 Top Argumente für Deutschkurse für Expats in "Lovely Switzerland"
- Michela Gösken
- 22. Jan.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Jan.
Als langjährige Deutschlehrerin werde ich von Lernenden immer mal wieder gefragt, ob Deutsch lernen in der Schweiz überhaupt Sinn macht, ob es nicht besser wäre, Schwyzerdütsch zu können, wo doch der Bäcker hartnäckig helvetisch antwortet, nachdem man sich alle Mühe gegeben hat, sein Brot in bestem Standard-Deutsch zu ordern.
Nun, inzwischen habe ich ein ganz beachtliches Arsenal an Gegenargumenten gesammelt, die ich fein säuberlich etikettiert in Einmachgläsern im Chuchichäschtli aufbewahre, doch werde ich Ihnen heute meine 8 Top-Shots präsentieren, der Rest darf ein bisschen mit der Zwäschgegumfie und dem Pflumämues debattieren. Auf geht's!
Argument: Mathematik 1 Mitteleuropäische Wahrscheinlichkeitsrechnung
Weltweit sprechen momentan und 153 Millionen Menschen Deutsch, Tendenz steigend. 15 Millionen davon lernen Deutsch als Fremdsprache. Diese 15 Millionen Deutschschüler*innen haben offenbar ihre Hausaufgaben gemacht und festgestellt, dass Deutsch die Amtssprache in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und in der Schweiz ist, darüber hinaus aber auch Amtssprache in Belgien und Luxemburg und ⏤ Überraschung! ⏤ Deutsch ist sogar Amtssprache der Europäischen Union, was daher kommt, dass Deutsch die meistgesprochene Muttersprache in der EU ist.
Anders gesagt: Solange Sie sich beruflich und privat im EU-Raum aufhalten, stehen Ihre Chancen Eins zu Drei, dass Sie irgendwo, irgendwie, irgendwann mit der deutschen Sprache zusammentreffen. Wäre es da nicht gut, wenn Sie nicht komplett überrascht und wortlos dastünden?
Argument: Dialekt ist überall
Ich komme noch einmal auf den Schweizer Bäcker zurück, der Ihnen beim Brotkauf auf Schweizerdeutsch geantwortet hat. Zuerst einmal hoffe ich für Sie und den Bäcker, dass das Brot lecker war. Die Sache mit dem Dialekt ist die: Er ist überall, wie das Mehl in der Backstube. Ich liebe Dialekte! Aber sie sind leider für Fremdsprachige keine Kommunikationsbasis, ja manchmal noch nicht einmal für Einheimische, denn ich verstehe auch nicht alles, was im Wallis gesagt wird. Wenn Sie also Schweizerdeutsch lernen wollen, welchen Dialekt möchten Sie dann lernen? Wieviele Dialekte es denn gibt, fragen Sie? Keine Ahnung, die Wissenschaft zählt noch...
Ausserdem: Die Dialektproblematik beschränkt sich nicht auf die Schweiz, denn Dialekt ist wie gesagt überall, auch in Österreich, auch in Deutschland: Kaufen Sie Ihr Brot gerne mal in München, auf der Schwäbischen Alp oder meinetwegen in Dresden ⏤ Sie werden kein Wort verstehen von dem, was der Mann da hinter der Theke sagt.
Mein Tipp: Lernen Sie die deutsche Standardsprache, die lernen nämlich auch die Kinder in Schweizer Grundschulen, die Kids in Wien oder die Knirpse auf der Schwäbischen Alp. Standardsprachen sind eine Art Konsens-Konstruktion der Höflichkeit: Wenn Sie einem Bäcker mit guten Manieren begegnen, wird er sich bemühen, Ihnen auf Deutsch zu antworten und nicht auf Dialekt, egal in welchem Land. Solange Sie das Brot bezahlen.
Argument: Das Weihnachtsessen und andere Katastrophen
Ich fasse mich kurz: Wer sagt, in seiner Firma werde nur Englisch gesprochen, hat noch kein Weihnachtsessen erlebt. Ab dem zweiten Gläschen Prosecco spricht jeder, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Pech für Sie, wenn Sie in einem Deutschschweizer Team arbeiten. Je später und lustiger der Abend, desto weniger werden Sie Anteil am Party-Spass haben. Und sollten Sie dann noch aufgefordert werden, eine kleine Tischrede in der Landessprache zu geben, dann hilft nur noch ein drittes Gläschen Prosecco...
PS: Dasselbe gilt natürlich für Drinks nach Projektsitzungen, Geburtstagsfeiern und ⏤ ich glaube, Sie haben das Prinzip verstanden.
Argument: Kinder auf der Überholspur
Es beginnt ganz harmlos: Das Baby schreit, das Baby lacht, das Baby schläft. Dann beginnt das Kindchen zu sprechen, entzückend! Dann ziehen Sie und Ihre Familie, sagen wir von Spanien in die Schweiz, und drei Monate später kommt die Vierjährige mit ihrem neuen "Bestie" aus dem Kindergarten, die beiden verziehen sich ins Kinderzimmer und sprechen angeregt über Dinge, von denen Sie kein Wort mitbekommen. Es wäre gut, wenn Sie spätestens jetzt anfangen würden, Deutsch zu lernen, denn sonst werden Sie Ihre lieben Kleinen bald nicht mehr verstehen und Ihr Nachwuchs wird Ihnen bei den Hausaufgaben helfen müssen und nicht umgekehrt.
Mein Tipp: Bleiben Sie der Chef im Ring. Lernen Sie Deutsch, bevor Ihre Kinder es können. Es ist Notwehr.
Argument: "Es ist die Wirtschaft, Dummerchen!"
Dieses freche Zitat stammt im Original ⏤"it's the economy, stupid" ⏤ von Bill Clintons Wirtschaftsberater Jim Carville und ist Appell, wirtschaftliche Zusammenhänge nicht zu unterschätzen. Als Deutschlehrerin beobachte ich, dass der Besuch von Sprachkursen oft mit wirtschaftlichen Entwicklungen zusammenhängt. Es ist dann leider oft wie beim Zahnarzt: Man geht immer erst hin, wenn die Zahnschmerzen schon da sind. Nur dass der Zahnarzt ein Loch im Zahn wesentlich schneller reparieren, als eine Deutschlehrerin eine Wissenslücke stopfen kann. Deutsch lernen braucht Zeit, zahlt sich aber aus.
Mein Tipp: Sogar wenn Sie noch nicht ganz genau wissen wofür ⏤ lernen Sie Deutsch auf Vorrat. Plötzlich ist der Tag da, an dem Sie deutsche Kunden betreuen sollen und zwar in verhandlungssicherem Deutsch. Dann wäre es doch schön, wenn Ihr Puls ruhig bliebe, nicht wahr?
Argument: Mathematik 2 Wahrscheinlichkeitsrechnung für Go Getters.
Sagen wir, Sie möchten Karriere machen und streben in Ihrer Firma eine Führungsposition an. Ein Wettbewerbsvorsprung in Ihrem Portfolio könnte tatsächlich ein C1 oder sogar C2 Deutsch Zertifikat sein. Sie meinen, ein Zertifikat sei nur akademische Dekoration und habe mit der Praxis nichts zu tun? Nun, die international anerkannte Telc-Prüfung besteht aus einem schriftlichen UND einem mündlichen Teil. Das Zertifikat erhält nur, wer die Königsklasse beherrscht, also in der Praxis frei sprechen kann. Und spätestens ab Niveau B2 auch deutsche Dialekte versteht ⏤ Ihr bayerischer Bäcker wird sich freuen!
Mein Tipp: Ab B2 wird ein Zertifikat fürs berufliche Portfolio interessant, für Führungspositionen sollten Sie ein C1- oder sogar C2-Zertifikat anstreben.
Argument: Der Weltreisende kehrt heim
Sie zögern Deutsch zu lernen, weil Sie noch gar nicht so genau wissen, ob und wie lange Sie in der Schweiz bleiben werden? Ich verstehe. Nur: Sogar wenn alle Stricke reissen und Sie wieder in Ihre Heimat zurückkehren müssen, wird man beispielsweise auch in Ihrer Firma in Italien begeistert sein, wenn Sie fliessend Deutsch sprechen, schreiben und auf Deutsch mit Kunden und Geschäftspartnern verhandeln können. Meine Klienten haben mir dies im Laufe der Jahre immer wieder bestätigt.
Mein Tipp: Warten Sie nicht, lernen Sie sofort Deutsch. Sprachen Lernen ist nie vergebens.
Argument: Ode an die Freude
Mein letztes Argument für Expats in Lovely Switzerland Deutsch zu lernen besteht aus Kitsch, aber auch Kitsch ist ein wichtiges Element im Leben, genauso wie Elton-John-Hits. Ich habe Latein, Französisch, Englisch und Schwedisch gelernt und stelle fest, dass es unmöglich ist, eine Sprache nicht zu lieben, sowie man sich eine Weile mit ihr befasst hat. Deutsch mag anfangs etwas sperrig klingen, aber ich habe noch keinen Schüler erlebt, dessen Augen nicht spätestens dann zu glänzen begannen, als ich ihm erklärt habe, was das deutsche Wort Warmduscher bedeutet. Oder Kinkerlitzchen. Oder Leitmotiv. Sie werden es eines Tages verstehen, das verspreche ich.
Mein Tipp: Hören Sie Beethovens Ode an die Freude. Und buchen Sie einen Deutschkurs. Heute.
8 Argumente, die man nicht von der Hand weisen kann..Nummer 3 ( Weinachtsapéro) kenne ich nur zu gut..es macht viel mehr Spass wenn man mittendrin statt nur dabei ist!